Die Creatures Story

.... dort gibt es einen kleinen Himmelskörper, der von seinen Bewohnern Albia genannt wird. Albia ist eine scheibenförmige Welt, und wenn jemand sich dort auf eine Reise macht, dann entweder nach Westen oder nach Osten. Aber eigentlich spielt es keine Rolle, welche der beiden Richtungen man wählt, denn man gelangt immer wieder an den Ausgangspunkt zurück.

Die Nord-Süd-Ausdehnung der bewohnbaren Gebiete dagegen ist sehr gering und im wahrsten Sinne des Wortes überschaubar. Das hängt mit dem besonderen Zusammenspiel zwischen der Zentrifugalkraft (die alles zum Rand der Scheibe hin treibt) und der Gravitationskraft (die alles zur Mitte hin drängt) des Planeten zusammen. Auf Albia ist nur ein schmaler Streifen rings entlang des Scheibenrandes nutzbar. Daraus wird schon ersichtlich, daß man, wenn man auf Albia neuen Lebensraum braucht, in die Tiefe gehen muß. Und das taten die Bewohner auch.

Die Oberfläche Albias ist in Regionen mit unterschiedlichen klimatischen Verhältnissen unterteilt. Es gibt vegetationsreiche Gegenden mit gemäßigtem Klima, ebenso wie heiße, wüstenartige Bereiche. Albia besitzt auch einen Ozean, in dessen Mitte sich eine Insel befindet (eigentlich ist es ein schlafender Vulkan). In seinen fischreichen Gewässern lebt Borland, ein harmloses Seemonster.

Wegen der schnellen Rotationsbewegung des Himmelskörpers sind die albianischen Tage nur wenige Stunden lang.

Albia war lange Zeit die Heimat der Shee, einer uralten, menschenähnlichen Rasse. Sie waren hochgewachsen, unnahbar, und immer ein wenig blaß, was wohl daher rührte, daß sie ihr Leben in der Hauptsache in den unterirdischen Regionen Albias verbrachten. Die Oberfläche überließen sie weitgehend sich selber.

Die Shee waren geborene Forscher und Erfinder und hatten schon früh aufgrund ihrer "Erkenntnisse" aus der Quantenmechanik und der Genetik eine fortschrittliche Technologie entwickelt.

Eigentlich waren sie die erfolgreichsten Wissenschaftler, die das Universum jemals gesehen hat. Aber diesen Erfolg verdankten sie weniger einer zielgerichteten Forschungsarbeit als vielmehr ihrer ausgeprägten Lust am Experimentieren und dem erstaunlichen Talent, in ihrer Naivität wie blind von einem Glückstreffer zum nächsten zu stolpern.

Selten machten sie sich im vorhinein Gedanken über die möglichen Folgen ihrer Experimente. Eher experimentierten sie nach dem Motto: Mal sehen, was dabei heraus kommt, wenn man dies und jenes vermengt!

Und so erblickten in ihren weitläufigen unterirdischen Laboratorien die seltsamsten Dinge und Lebewesen das Licht von Albia: Beispielsweise ein seltsames buntes Ding, das durch Spleißen aus einer alten Patchworkdecke, einem Ball, einem Neonfisch und einem Stein des Wissens entstanden war. Und was nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit eigentlich in einer gewaltigen Explosion hätte enden müßen, brachte einem Shee womöglich die erstauliche und bahnbrechende Erkenntnis, wie man frische Luft in gebrauchte umwandeln konnte.

Der Erfindungsreichtum der Shee war schier grenzenlos - die Wege, die sie dabei beschritten, ebenso. Nachdem sie die DNA entdeckt hatten, veränderten sie mit Vorliebe die Gene von Tieren und Pflanzen, so daß ihr Verhalten das Leben der Shee angenehmer gestalten sollte.

Was tun mit diesen lästigen Mäusen, die sich ständig über die Keksvorräte hermachten? Dieses "Fehlverhalten" mußte unbedingt in der Genstruktur lokalisiert und "repariert" werden. Wie wäre es mit Mäusen, die vorzugsweise gebrauchte Teebeutel und durchlöcherte Socken fressen!? (Wir hier auf der Erde haben dieses Problem relativ unwissenschaftlich durch Erfindung der Mausefalle gelöst, bisher allerdings keine wirklich geniale Methode entdeckt, durchlöcherte Socken zu entsorgen.)

Es ist anzunehmen, daß die Shee bereits seit Jahrhunderten sämtliche auf Albia vorhandene Genome entschlüsselt und "optimiert" hatten, bevor sie etwas so Simples wie das Rad entdeckten.

Die Shee liebten ihre Bequemlichkeit und einen gewissen Komfort. Auf der Suche nach Helfern für die alltäglich anstehenden Verrichtung wie Aufräumen, Staubwischen, Keksebacken und Teekochen mußten sie feststellen, daß weder die Mäuse noch irgendeine andere Lebensform Albias das nötige Quantum Intelligenz mitbrachten, um in dieser Hinsicht von Nutzen zu sein. Ob der Quantensprung zur Intelligenz sich vielleicht einstellte, wenn man man durch Vermischen unterschiedlicher Genome neue Wesen erzeugte? Mit Quantensprüngen war man ja schon vertraut (wir nennen dies hier absichtlich nicht "glückliche Zufälle"), und so begann eine Serie von Experimenten nach dem bewährten Motto: Mal sehen, was herauskommt, wenn ...

... man Albias Riesenspinnen mit Albias Fröschen vermischt ... ?

Das Wesen war eindeutig eine neue Spezies, doch offensichtlich hatte man bei den Zutaten daneben gegriffen. Die Grendels, wie man sie später nannte, stellten sich als gefräßige, plumpe, angriffslustige Wesen heraus, die undefinierbare Geräusche von sich gaben und wohl nicht dazu geeignet waren, den Tee zu servieren. Das Experiment wurde zwar sofort abgebrochen, aber einige Grendeleier hatte man vergessen zu vernichten. Den Grendels, die daraus schlüpften, gelang es, aus den unterirdischen Laboratorien nach oben in die Freiheit zu entweichen. Die Shee betrachteten das Geschehen an der Oberfläche des Planeten jedoch nicht als ihre Angelegenheit und das Experiment Grendel hiermit als beendet.

Ein anderes Experiment jedoch sah schon vielversprechender aus. Das neue Wesen war zwar relativ farblos und erinnerte ein wenig an eine der "Zutaten" (Hat da jemand aus Versehen einen Nachtlurchgenom dazugetan?), aber es zeigte Anzeichen von Intelligenz, und nach ein paar genetischen Korrekturen - so hoffte man - würden die Ettins vielleicht fähig sein, eine bestimmte Abfolge von Handlungen zu lernen und auszuführen: Kekse backen, Aufzüge einbauen, Geräte warten, Aufräumen ... dazu mußte man jedoch erst den Hang der Ettins, Aufräumen mit Einsammeln-und-Verstecken zu verwechseln, in den Griff bekommen. ;-)

Allmählich bekamen die Shee Übung im Erfinden neuer Rassen und Ihre Experimente gipfelten schließlich in Wesen, die zwar wegen ihrer Verspieltheit auch nicht so recht als zuverlässige Hilfskräfte taugten, aber weitaus intelligenter waren, als alles, was den Shee bisher gelungen war: die Norns.

Diese freundlichen, lebhaften Wesen konnten in einer einfachen Sprache miteinander und den Shee kommunizieren, waren lernfähig und ausgesprochen neugierig. Ihre Abenteuerlust gepaart mit ihrer Naivität brachte sie nicht selten in die verrücktesten Situationen. (Man stelle sich eine Kindergartengruppe mit lauter Dreijährigen vor, und man hat einen ungefähren Eindruck vom Verhalten einer Horde Norns.)

In der Folgezeit waren die Norns beliebte und unterhaltsame Studienobjekte für die Shee. Und wenn man geduldig genug war, dann konnte man ihnen sogar beibringen, auf Befehl Tee zu kochen oder die Pantoffeln zu bringen. ;-)

Albia wurde wohl allmählich zu klein für die wachsende Zahl an gen-ialen Lebewesen und den steigenden Platzbedarf für unterirdische Laboratorien. Oder war es einfach nur der Wunsch, auf einen dieser kugelförmigen Planeten zu gelangen, die man kürzlich mit allergrößtem Erstaunen am Himmel über Albia entdeckt hatte? Jedenfalls beschlossen die Shee, sich auf die Suche nach einer neuen Heimat zu machen. Und diesmal sollte es etwas Rundes sein, auf dem man sich in alle 4 Himmelsrichtungen bewegen konnte.

Sie erzeugten mittels Gentechnologie einen neuen Organismus, das Spaceship, und natürlich war es, wie fast alles bei den Shee, überdimensional.

Dieses Raumschiff kam einer Arche Noah im Weltraum gleich - eine Zeitung von heute würde das Unternehmen wohl betiteln mit "Ein Planet wandert aus!". Die Shee wollten ganz einfach nicht auf Gewohntes verzichten, und so statteten sie in Anlehnung an die Klimazonen Albias das Raumschiff mit vier verschiedenen, von einander getrennten, autarken Lebensbereichen aus, in denen sie Exemplare der Flora und Fauna Albias ansiedelten.

Selbstverständlich durften auch Norns und einige der klügeren Ettins nicht fehlen. Die Grendels gedachten sie auf Albia zurück - und sich selbst zu überlassen.

Über all dem geschäftigen Treiben vor der Abreise (Sind auch genügend Kekse an Bord? Und Tee? Und Socken? Und Mäuse?) vergaßen sie ganz, ein letztes Mal Albias unterirdische Laboratorien zu überprüfen ...